Ganz versteckt, in einem Hinterhof der Karlsruher Südweststadt, schraubt, schmiert und poliert Andreas Mattes. Denn hier steht seine ungewöhnliche Werkstatt von „Hochverrad“. Auf dem Boden – aber auch an der Wand hängend – reihen sich gebrauchte Fahrräder nebeneinander. Sie alle wurden oder werden noch restauriert und sind dann bereit für einen neuen Besitzer. Der kleine Tisch im Raum zeugt von der Arbeit, die dahinter steckt. Darauf liegen Fahrrad-Ketten, Werkzeuge und Ersatz-Lichter. Für den Feinschliff sorgen der dort platzierte Fahrradreiniger und der spezielle Radglanz.
Mit viel Einsatz für Radklassiker
„Ich habe oft gesehen, dass Fahrräder weggeschmissen werden, die noch in relativ gutem Zustand sind“, sagt Andreas Mattes. Der gelernte Elektrotechniker wollte das nicht länger hinnehmen. Seit 2014 kümmert er sich um seine „Gebrauchträder mit Charakter“ und schenkt ihnen durch die Reparatur ein neues Leben. So stehen hier einfache City-Bikes neben alten Peugeot-Rädern oder Tandems. Daneben ein Miele Fahrrad und ein Alfira Klapprad. Dazwischen finden Kunden einige versteckte Schätze. „Manche Räder sind über 60 Jahre alt“, so Mattes. Derzeit verkauft er beispielsweise ein hochwertiges Vaterland Damenrad. Für Fahrrad-Amateure: Die Vaterland Werk Friedrich Herfeld Söhne GmbH & Co. KG war einer der ältesten deutschen Fahrradhersteller aus der sauerländischen Kleinstadt Neuenrade. Der Markenname existierte seit 1906. Die Firma produzierte bis zur Einstellung Ende 2007 250.000 Fahrräder jährlich! Hier wartet also ein echtes Traditions-Rad auf seinen neuen Besitzer.
Ein Sticker für den Drahtesel
„Wir bekommen die Räder teilweise von anderen Fahrradhändlern, von Haushaltsauflösungen, vom Schrottplatz oder von Privatpersonen“, erzählt Mattes. Jedes fertig reparierte Fahrrad bekommt einen Sticker mit dem Slogan „Gebrauchträder mit Charakter“ aufgeklebt. Mattes freut sich immer, wenn ihm in Karlsruhe ein Fahrrad mit dem Erkennungsmerkmal begegnet. Immerhin steckt in jedem viel Arbeit und Leidenschaft. Die Reparaturen sind sehr unterschiedlich. So wechselt Mattes manchmal die Reifen. Bei anderen Rädern tauscht er Tretlager, Ketten und Glockenlager. Wieder andere brauchen dringend ein neues Licht oder einen anderen Sattel.
Ein Hochverrat an Fahrrädern
So unterschiedlich die Räder und ihre Reparaturbedürfnisse sind, so groß ist auch die Preisspanne. Ab 129 Euro beginnen die günstigsten Angebote. Hochwertige Räder wie beispielsweise momentan das Mars Herrenrad, ein Schmuckstück aus den 50er Jahren, kostet Liebhaber schon mal mehr als 400 Euro. Deshalb hat Mattes auch ganz verschiedene Kunden. „Studenten wollen günstige Fahrräder, ältere Menschen suchen ein bequemes Fahrrad. Andere suchen nach bestimmten Marken oder Arten und manche Leute hängen noch sehr am Alten.“ Hochverrad bietet seinen Kunden ein Jahr Gewährleistung. Ein dort gekauftes Fahrrad können sie auch immer wieder zu Mattes zur Reparatur bringen.
Die Bezeichnung „Hochverrad“ erklärt Mattes so: „Es ist eine schlimme Sache, dass alte Fahrräder weggeschmissen werden, quasi ein Hochverrat an den Rädern“. Das Wortspiel durch die vertauschten Buchstaben „T“ und „D“ lieferte den perfekten Firmennamen.
Einfache Abwicklung über das Internet
Feste Öffnungszeiten oder Schauräume gibt es bei Hochverrad nicht. „Auf unserer Internetseite ist ein Überblick, welche Fahrräder gerade angeboten werden“, so Mattes. In den fünf Kategorien Klassiker, Schnäppchen, City-Rad, Hipp und Old School findet jeder seinen persönlichen Liebling. Diesen reserviert der Fahrrad-Fan online und erhält Terminvorschläge für eine Probefahrt. „Das Reservieren ist vollkommen kostenlos. Es kann auch sein, dass es einem dann nicht gefällt. Dann kann derjenige auch ein anderes Rad bei uns Probe fahren. Die Reservierung ist unverbindlich. Man ist nicht gezwungen, ein Fahrrad zu kaufen“, erklärt Mattes. Der Käufer kann sein Angebot jederzeit stornieren, selbst wenn er zum Abholtermin erscheint und das Gebrauchtrad Probe gefahren ist. Falls es jedoch Liebe auf den ersten Blick ist oder das Zweirad bei der Probefahrt ausgiebig getestet wurde, muss der Kunde nur noch bar bezahlen und schon kann das neue gemeinsame Abenteuer von Fahrrad und Rad-Liebhaber losgehen.