Von der Stange bis zur Tulpe

01. April 2021 • Karlsruhe Tourismus • Biergeschichten

War früher wirklich alles besser? Wir blicken zurück in jene Generationen, die noch in die Kneipe oder die Wirtschaft gingen und nicht ins Bistro oder die Lounge. In schummrigen Räumen rauchten die Gäste wie die Schlote. Wer in Karlsruhe „ein Bier“ bestellte, bekam Export, echter halber Liter. Nur wer gezielt „Fräulein, ein Pils bitte“ sagte, bekam ein solches, Menge nullvier. In jeder dieser Kneipen stand mindestens ein runder Tische mit einem Aschenbecher in der Mitte; über dem hing ein Schild: „Stammtisch“. Dieser war jeden Abend dicht besetzt und die Drumherumsitzenden diskutierten und tranken Bier.

Vor ihnen standen – Willybecher. Das deutsche Bier-Standardglas: untere zwei Drittel zylindrisch sich öffnend, oben wieder leicht zusammenlaufend. Der Becher stand stabil, so dass auch ein Mitglied der Stammtisch-Besatzung kräftig auf den Tisch hauen konnte – was häufig der Fall war. Für den Willybecher gab es nette Accessoires, etwa Kupferkesselchen, die der Wirt ein Drittel hoch mit warmem Wasser füllte. Dann stellte er einen vollen Willybecher in den Kessel, zum Anwärmen. In manchen Braugaststätten gab es außerdem Steinkrüge. Legte man den leeren Krug quer, kam Nachschub. Drehte man ihn um, hieß das: Schluss für heute.

Heute ist alles anders. Unzählige Glasformen für unzählige Biersorten: Biertulpen für Pils, Altbiergläser aus Düsseldorf, Kölsche Stangen, Schwarzbierpokale, Weißbiergläser, Schale für Berliner Weiße, Maßkrug im Bierzelt, Stout im One-Pint-Glas. Biersommeliers verkosten Craft-Biere in Bierschwenkern. Für Biergenießer dazu drei nützliche Tipps. Erstens: Je bitterer und schlanker ein Bier, desto feiner und nach oben geschlossener das Glas. Zweitens: Je fruchtiger das Bier, desto bauchiger und offener. Drittens: Bei wuchtigen und komplexen Bieren sollte sich die bauchige Form nach oben verjüngen, um die Aromenvielfalt lange zu bewahren.

Wem das alles zu viel Gedöhns ist, der trinke aus dem Willybecher. Das mit dem wärmenden Kupferkesselchen hat sich allerdings total verloren. Dafür stehen heute häufig „Pitcher“ auf dem Tisch des Bierlokals, zum Nachfüllen der Becher. In denen bleibt das Bier auch nicht eiskalt. Andere Zeiten, andere Sitten.

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