Die Gesichter des Alten Schlachthofs

Ein spannender Ausflug in das neue Kreativzentrum der Stadt

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Clara

Obwohl ich gebürtige Karlsruherin bin, war ich so gut wie nie auf dem Gelände des Alten Schlachthofs, was ich definitiv ändern musste, so viel stand fest. So machte ich mich an einem sommerlichen Dienstagnachmittag mit einer Kollegin auf den Weg, das umgestaltete Areal zu erkunden, das sich seit 2006 zum neuen Kreativzentrum der Stadt entwickelt. Was es dort alles zu sehen und erleben gibt und wen wir getroffen haben, erfahrt ihr in dieser Karlsruher Geschichte.  

Kaffeegenuss im espresso tostino

Unseren Rundgang über den Alten Schlachthof beginnen wir bei espresso tostino, wo meine Kollegin Friederike bereits einen frisch zubereiteten Kaffee getrunken hat und das etwas versteckte Café wiederentdeckt. Beim Betreten des Innenraumes kommt uns direkt der Duft von frisch gemahlenem Kaffee in die Nase. Hinter der Bar erspähen wir auch die hauseigene Rösterei, in der die Kaffeebohnen selbst gemahlen werden. Die Rösterei gibt es bereits seit 2009, das Café kam erst sechs Jahre später hinzu. Insbesondere die gelungene Kombination aus Café und Rösterei und die große Auswahl an frisch zubereiteten Kaffeesorten lockt nicht nur Stammkunden, sondern auch Familien oder Studenten der nahegelegenen Musikhochschule an. Als Besucher spürt man, dass hier eine Geschichte hinter dem Kaffee steckt, was den Aufenthalt zu einem besonderen Erlebnis macht.  

espresso tostino - Café und Rösterei

Rösterei direkt im Gebäude des Cafés

Der Künstler Fritz Fronius

Wir fahren unsere Besichtigungstour fort und stoßen auf der linken Straßenseite auf eine große, leer wirkende Halle. Dort treffen wir auf den freischaffenden Künstler Fritz Fronius, der uns herumführt und uns dabei nicht nur über das Schlachthofgelände informiert, sondern auch spannende Anekdoten aus seinem ereignisreichen Leben erzählt. So berichtete er uns von seinen Anfängen als Künstler in Karlsruhe, seiner Zeit in Gambia, wo er Kinder unterrichtete und verriet uns seine Pläne, auch in Südamerika zukünftig als Kunstlehrer Fuß zu fassen. Sein Atelier befindet sich allerdings nur übergangsweise hier, da er langfristig größere und günstigere Räumlichkeiten sucht. Mit seinen Kunstwerken möchte er sich nicht nur bildlich ausdrücken, sondern auch politische Äußerungen mit einbinden. Denn für ihn dient die Kunst nur einem – der Freiheit.

Lagerhalle, Atelier und Werkstatt - Alles unter einem Dach

Werke vom Künstler Fritz Fronius

Feine Handwerkskunst in der Goldschmiede erdling

Im selben Gebäude befindet sich auch die Goldschmiede erdling, die uns schon beim ersten Blick von außen aufgefallen ist. Auf unser Klopfen hin öffnet uns der Besitzer Janosch Schneider die Tür, ein freundlicher junger Mann, der seine Arbeit als Goldschmied zu lieben scheint. Bereits mit 14 Jahren entdeckte der mittlerweile 22-Jährige seine Leidenschaft für glänzende Materialien. Stolz erzählt er uns von den bisherigen Stationen in seinem Leben, die seinen beruflichen Werdegang geprägt haben. Von Karlsruhe ging es über Paris auch nach Berlin, bevor er zurück in die Heimat kam und seit Weihnachten seine eigene Werkstatt mit Verkaufsraum auf dem Alten Schlachthofgelände betreibt. Hier fertigt Janosch alles selbst an – von der Schmuckzeichnung bis zum fertigen Schmuck.

Goldschmied Janosch Schneider bei der Arbeit

Seit einem halben Jahr betreibt Janosch die Goldschmiedewerkstatt

Ein Ort, an dem Dinge entstehen können: Die Fettschmelze

Ihr habt Euch auch schon gefragt, woher die Fettschmelze ihren ungewöhnlichen Namen hat? Tatsächlich stammt die Bezeichnung der heutigen Bar, Kantine und Partylocation von der ursprünglichen Nutzung einer Schweinefettschmelze, von der man noch die letzten Überbleibsel aus vergangenen Tagen erkennen kann. Hier treffen wir Romy aus dem Team der Fettschmelze, die uns viel Spannendes zu berichten hat. Die Fettschmelze ist ein lebendiger Ort, der sich stets mit den Leuten verändert und sich jeder mit einbringen kann – oder um es mit Romys Worten zu sagen: „Die Fettschmelze ist ein Ort, an dem Dinge entstehen können“. Alles begann hier mit einem Coworking Space, hinzu kam eine Bar, ein DJ-Pult… Mittlerweile hat die Fettschmelze an sechs Tagen pro Woche geöffnet und bietet zahlreiche Aktionen an, vom Fett Friday über (Studenten-) Partys am Samstag bis hin zum sonntäglichen „Katerfrühstück“. Hervorzuheben ist, dass alle Mitarbeiter – sogar die Küchenchefin – ungelernt sind. Doch Romy kann das erklären: Technik kann man jedem beibringen, aber Charme, Offenheit und Charakter kann man nicht erlernen, sodass durch das Team der Fettschmelze ein unverwechselbarer Ort, an dem verschiedenste Personen zusammenkommen, entstanden ist und sich stets weiterentwickelt. Wer weiß, vielleicht gibt es hier nächstes Jahr um diese Zeit ganz andere Events und Aktionen.

Die selbstgestaltete Bar hat sechs Tage der Woche für Euch geöffnet

Der neue Biergarten der Fettschmelze

Die Unternehmensberatung Netzstrategen

Unser Rundgang führt uns weiter zu den Netzstrategen. Da ich nicht genau wusste, was mich dort erwartet, war ich sehr gespannt, mehr über das Unternehmen zu erfahren. Wir treten in ein offenes, modernes und kreativ gestaltetes Büro ein, in dem junge Mitarbeiter an ihren Laptops sitzen. In einem lockeren Gespräch mit Timo und Sarah erfahren wir, was die Netzstrategen überhaupt sind – nämlich eine Online-Strategie-Beratung, die aber keine klassische Webagentur ist. „Wir machen Unternehmen digital handlungsfähig“, wie Timo es uns kurz und knapp erklärt. Neben dem Standort in Karlsruhe gibt es weitere Büros in Köln und Barcelona. Zum kreativen Miteinander gehören auch der montägliche Strategenlunch, bei dem jeweils zwei Mitarbeiter für das gesamte Team kochen, oder der Feierabenddienstag, bei dem man sich mit anderen Leuten der Branche austauschen kann und Vorträge über Themen rund um die digitale Welt gehalten werden. Am Alten Schlachthof mögen die beiden besonders die kreative und nachbarschaftliche Atmosphäre, es sei ein „Geben und Nehmen“, bei dem jeder dem anderen hilft.

Sammlung kreativer Plakate für das Feierabend-Networking

„LEGO-Koordination"

Kreative Start-ups im Gründerzentrum Perfekt Futur

Zum Schluss erkunden wir noch das Gebäude des Perfekt Futur, dem neuen Gründerzentrum für kreative Start-Ups in der ehemaligen Schweinemarkthalle des Schlachthofs. Eine imposante Halle eröffnet sich uns, in denen sich fast 70 umgebaute Seefrachtcontainer befinden, die als Büro für Existenzgründer dienen. Ein solcher Container kann von Gründern für maximal fünf Jahre angemietet werden und erfreut sich großer Beliebtheit – die Warteliste ist lang.

Schiffscontainer umgebaut zu Start-Up Büros

Ein spannender Ausflug geht zu Ende

Nach interessanten Gesprächen schlendern wir noch gemütlich über das Gelände, um die neu gewonnenen Eindrücke Revue passieren zu lassen und die einzigartige Atmosphäre des Alten Schlachthofs auf uns wirken zu lassen. Hier gibt es noch so viel mehr zu entdecken, wofür man sich Zeit nehmen muss. Im Alina Café zum Beispiel, das sich ebenfalls in der Containerhalle befindet, kann man hausgemachten Kuchen in einer besonderen Atmosphäre genießen. Wer auf der Suche nach handgefertigter Keramik ist, wird sicherlich bei der Keramikwerkstatt Mônane fündig. Nach dem Feierabend lassen sich in der Weinbar Aurum in einem modernen, aber dennoch gemütlichen Ambiente regionale Weinspezialitäten probieren. Auch für ein weiteres, abwechslungsreiches Abendprogramm lohnt sich der Alte Schlachthof, wie wir erfahren haben. Im Kulturzentrum Tollhaus kann man Kabaretts und Konzerte bekannter Künstler live erleben. Außerdem wären da noch das Substage, ein angesagter Live-Musik-Club, und die Alte Hackerei, eine Punkrock-Bar, wo man ebenfalls Konzerte erleben kann.

Ein weiteres Erlebnis der besonderen Art ist das Spuktheater, was ich unbedingt mal ausprobieren möchte. Kaum zu glauben, aber das Theater war sogar mal das kleinste Deutschlands! Hier ist der Zuschauer nicht einfach nur ein passiver Zuschauer, sondern ein Teil der Geschichte. Alle zwei Jahre kann man das gesamte Gelände auch beim Tag der offenen Tür namens „ausgeschlachtet“ entdecken, bei dem fast alle Nutzer des Geländes ihre Pforten für die Besucher öffnen. Also ich bin mir sicher, langweilig wird es euch hier bei diesem großen und vielfältigen Angebot nicht. Ich werde in Zukunft auf jeden Fall öfter herkommen – die kreativen Unternehmen und die ungewöhnliche Location haben es mir wirklich angetan!